Publikationen
Ausstellung Liz Bayerlein, Neumarkt, Reitstadel, Juli 2010 Reflexionen von Bernd Zachow, Nürnberger Nachrichten
Meine Damen und Herren,
die heutige Ausstellungseröffnung ist für mich in zweierlei Hinsicht ein erfreuliches Ereignis.
Erstens begrüße ich diese Veranstaltung als einen weiteren Schritt zum kulturellen Miteinan- der in unserer Region. Zum Zweiten freut es mich, dass mit Liz Bayerlein ein weiteres Mal eine Angehörige der vielfältigen Nürnberger Kunstszene in Neumarkt präsentiert werden kann.
Liz Bayerlein ist eine Ausnahmekünstlerin, die spät, aber dafür umso heftiger zur Malerei berufen wurde. Ihre Mitstudenten an der Nürnberger Kunstakademie hätten vom Alter her größtenteils durchaus ihre Kinder sein können.
Liz Bayerlein ist ist aber auch inhaltlich eine Ausnahmekünstlerin, weil sie sich haupt- sächlich mit der menschlichen Figur beschäftigt. Da steht sie zwar in einer langen europäischen Tradition, doch war diese in jüngster Vergangenheit längere Zeit unterbrochen.
Denn im vergangenen 20. Jahrhundert wurde sehr ernsthaft von einer endgültigen Überwindung des Figürlichen in der Bildkunst gesprochen.
Begonnen hatte es mit der Erkenntnis, dass das "klassischen" Menschenbild etwas höchst Fragwürdiges ist. Man entdeckte eines Tages erstaunt, dass die Kunst nichts ABSOLUT darstellen kann. Auch nicht den Menschen. Die gesellschaftliche Vereinbarung über die Wahrheit des Bildes muss immer wieder neu getroffen werden. Diese Verunsicherung der Künstlerinnen und Künstler führte zunächst zur ironischen Distanz von der intakten Figur. Das Menschenbild wurde verfremdet und verunklart. Die Bildermacher versuchten mit allerlei formalen Tricks die ständige Veränderung im menschlichen Erscheinungs- bild sichtbar zu machen. Das war zu Beginn des vorigen Jahrhunderts vor allem bei den Expressionisten und Kubisten der Fall. Einige Jahrzehnte und zwei verheeren- de Weltkriege später wollte man dann vom Menschenbild in der Kunst überhaupt nichts mehr wissen. Es wurde behauptet, nun gehe es ausschließlich im die Darstellung des "Geistigen", und dabei störe der fehlerhafte irdische Mensch.
Das ging so bis in die unruhigen, erneuerungswilligen 1960er Jahre. Dann wurde es einigen Leu- ten langsam zu dumm. Der Sozialwissenschaftler Arnold Gehlen schrieb 1968, es sei "durchaus bemerkenswert, dass derMensch, wie er ist, von der Kunst nach wie vor weitgehend ausgeschlossen bleibt. Und das in einer hochpolitischen, von humanen Apellen widerhallenden Zeit." Das war tatsächlich so paradox, dass sich dagegen auch künstlerischer Widerstand regte. Zwar sehr langsam, aber nach und nach erlebte das Menschen- bild nochmal eine Renaissance. Denn die Künstlerinnen und Künstler, ebenso wie die Kunstbetrachter, sind und bleiben halt Menschen. Und der Mensch interessiert sich eben naturgemäß am meisten für Seinesgleichen. Figürliche Kunst ist darum auch heute unentbehrlich. Die Figur erlaubt es den Bildermachern, Körperliches, Seelisches und Geistges als Einheit zu gestalten. Die Malerin Liz Bayerlein beweist es. Sie malt figür- lich, aber antinaturalistisch. Sie ist nicht daran interes- siert, ein auf Ähnlichkeit zielendes Portrait zu malen, sie verwandelt vielmehr die nackte Realität in eine poetische Arabeske, in ein ästhetisches Ornament. Sie zeigt Nacktheit, ohne dabei ihre Modelle in irgendeiner Weise "bloß" zu stellen, sie abstrahiert den menschlichen Körper. Ihre Aktbilder bestehen aus meist großflächigen, irisierenden Farbfeldern, die mehr oder minder hart aneinander stoßen. Die stili- sierten Menschen sind in weitgehend indifferente, monochrome Flächenformationen eingebunden. Nur manchmal sind weite Landschaften angedeutet. Diese radikale Reduktion erzeugt eine Archaik, die Bayerleins Akte zu Allegorien des menschlichen Daseins werden lassen. Wie gesagt: Ihre Bilder sind bei Licht betrachtet Abstraktionen, welche menschliche Körper und menschliche Befindlichkeiten andeuten.
Doch Beliebiges entsteht dabei keineswegs. Die Künstlerin versteht ihre so wenig portraithaften Aktbilder als Darstellungen unterschiedlicher Charaktere. Sie ist nämlich der Meinung, dass sich der Charakter eines Menschen weit weniger im Gesichtsausdruck als vielmehr in der Körperhaltung und Körperverfas- sung manifestiert.
So zeigen ihre Akte -ungeschönt und ungeschminkt- zum Beispiel gutmütige oder geistreiche, bewusst sinnliche oder eher naive Charaktere. Was Bayerlein damit meint, skizziert meines Erachtens sehr treffend eine Äußerung von Pablo Picasso aus den 1950er Jahren. Picasso sagte: "Was denken Sie, bedeutet es für mich, wenn ich einen Menschen male? Obwohl dieser Mensch einst für mich real war, ist er es nicht mehr. Er ist nicht länger ein Mensch, sondern eine Anordnung von Formen und Farben, die inzwischen die IDEE von einem Menschen wurde, eine künstlerische Gestaltung, welche die Schwingungen eines Lebens bewahrt."
Auch deshalb malt Liz Bayerlein keine ausgesprochenen Schönheiten, keine glatten, nichts sagenden Berufsmodelle, sondern ganz normale Durchschnittsmenschen, die aber starke charakterliche "Schwingungen" mitbringen. Bayerleins Bilder sind Reaktionen auf Alltagsbegegnungen. Aber die Künstlerin versteht es, das Individuelle und Zeitliche zum Archetypischen und Überzeitlichen zu verdichten. Ihren starken Drang zum Archetypischen und Überzeitlichen beweist in jüngster Zeit ihre Hinwendung zur griechisch-römischen Mythologie. Sie malte zum Beispiel eine moderne Ausgabe der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter, die hier in Neumarkt zum allerersten Mal ausgestellt ist.
Manchen Betrachter mag übrigens immer noch erstaunen, dass sich ausgerechnet eine Frau derart intensiv mit weiblicher Nacktheit beschäftigt. Besonders neu ist das jedoch keineswegs. Im 19. und im frühen 20. Jahrhundert gab es diverse malende und bildhauernde Frauen, die vom Thema "Erotik und Akt" fasziniert waren. Berühmt wurden etwa die einschlägigen Werke von Camille Claudel, Paula Modersohn-Becker oder Suzanne Valadon.
Deren Auffassungen sind freilich Geschichte. Liz Bayerlein sucht andere, heutige Wege. Dass sie an der Nürnberger Kunstakademie bei zwei Professoren studierte, deren eige- ne Kunst ständig zwischen Abstaktion und Figur oszillierte, mag sie vorübergehend beeinflusst haben, aber letztlich ist sie ganz und gar eigenständig geworden. Die von ihr entwickelte Form der Aktmalerei verbindet eine fast kindliche Unschuld in der formalen Ausführung mit der Lebenserfahrung und mit dem Einfühlungsvermögen einer reifen Frau. Ihre Arbeiten gehören zweifellos zu den derzeit eigenwilligsten und charmantesten künstlerischen Leistungen in unserer Region.
Bernd Zachow
Zum Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten 2008 schrieb Michael Becker:
"Diese Frauenfiguren besitzen im wahrsten Wortsinne Ausstrahlung. Liz Bayerlein malt mit großem Farbempfinden die weibliche Aura. Dabei entstehen sehr körperhafte und zugleich beseelte Porträts, die von innen leuchten".
Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten, 30.07.2008
Text der Kunsthistorikerin Eva Schickler:
Der nach innen konzentrierte Blick, ein voluminöser Körper – in blau vor gelbem Grund:
Das Menschenbild, das Liz Bayerlein in ihren Gemälden entwirft wird bestimmt von den für sie wesentlichen Elementen: Der menschliche Körper und expressive Farben.
Fast immer ist der Mensch im Raum allein und auf sein Selbst zurückgeworfen. Er nimmt weder Notiz vom Betrachter, noch vor den Gegenständen um ihn herum. Obwohl das Gesicht regungslos bleibt, bewusst als Farbfläche behandelt wird, scheinen Bayerleins Modelle von innen heraus zu leuchten. Sie strahlen eine unmittelbare Präsenz aus, der man sich so leicht nicht entziehen kann. Haare, Mund und vor allem das Weiß der Augen bilden dabei wesentliche wie individuelle und einprägsame Akzente. Auf Emotionen verweisen – abgesehen von der Körperhaltung – wenn, dann nur diese Elemente. Ansonsten scheinen Gefühle wie hinter einem Schleier: undurchschaubar, vielleicht zu erahnen.
Der Körper selbst begegnet uns in seiner Nacktheit, nicht als exaktes Abbild, sondern als souveräne malerische Plastizität. Erreicht wird dies mittels Modulation in den Farbtönen und einer reduzierten Formsprache.
Leib, Arme, Hände, Beine wie Füße werden grob, mitunter auch perspektivisch verkürzt dargestellt. Diese Körperteile bleiben nicht nur als physiologische Materialität erkennbar, sondern sind auch Mittel zur Verdichtung der Ausstrahlungskraft.
Umgebung und Hintergrund werden durch einfache mono- oder bichrome Farbflächen in Raum mit, oder ohne Wand und Boden definiert. Besonders bei den Bildern, die als Hintergrund ein beschwingt anmutendes Tapetenmuster aufweisen, zeigt sich ein extremer Kontrast der Auffassung von Mensch und Umgebung.
Fortgesetzt wird diese Kompositionsstrategie in der Beschränkung auf wenige, leuchtende, stark kontrastierende Farben. In diesem Punkt steht Liz Bayerlein der Vorstellungswelt expressionistischer Kunst nahe, in welcher sich die emotionale Stimmung des Künstlers vor allem auch in Intensität und Kontrast der reinen Farbe offenbart.
Das tiefste Innere der menschlichen Seele und ihres Körpers im Zustand der Einsamkeit und Isolation zu erforschen und in Malerei zu verdichten ist Liz Bayerlein Ziel und Thema.
Eva Schickler M.A.
Kataloge
2010 Reflexionen von Bernd Zachow, NÃŒrnberger Nachrichten
"Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten 2010" , Verlag Nürnberger Presse"
"60. Bayreuther Kunstausstellung 2010", Kunstverein Bayreuth e.V.
2009
"Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten 2009" , Verlag Nürnberger Presse
"VON DER MAGIE DES INNEREN IM ÄUSSEREN" , Ausstellungskatalog FOYER89, Hannover
2008 "Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten 2008" Verlag Nürnberger Presse
2003 "Flurstücke und Feldzeichen", Ausstellungsprojekt Poppenreuth
2003 "Trabanten", Kunstverein Ebersberg
2002 "Ablösung", Gewerbemuseum Nürnberg
2002 "Natur - Mensch", Sankt Andreasberg
2001 "Knaupp&Co", Tillykaserne Nürnberg
1997 "Hypo-Art 97 - Junge Künstler deutscher Akademien", Hypokulturstiftung München
Presseartikel
Bilder von der "Magie des Inneren im Äußeren" "Das Strahlen und Funkeln in den Augen macht schön" |
Heldinnen des eigenen Geschlechts Süddeutsche Zeitung, 05./06.07.2003 Aktmalerei als eine Annäherung an das eigene Geschlecht Mittelbayerische Zeitung, 01.07.2003 Trabanten beim Kunstverein Süddeutsche Zeitung, 28./29.06.2003 Künstlerische Trabanten Ebersberger Zeitung, 27.06.2003 Exerzitien mit Körpern Pressebericht Erlangen, 20.05.2003 Neo(n)-Realismus und anderes Nordbayerischer Kurier, 21.01.2003 Über das Nackte zum inneren Wandel Fränkische, 18.01.2003 Die Kunst kommt aus Großmutters Kamera Nürnberger Zeitung, 30.10.2002 "Setz dich und sei Künstler!" AZ, 30.10.2002 Souvenirs und schlaue "Cannymales" Nürnberger Nachrichten, 30.10.2002 Zusätzliche Malkurse Altdorf, 25.09.2002 Landschaft - ein Phantom Nordbayerischer Kurier, 13.07.2002 Renate Schmidt, MdB im Atelier von Liz Bayerlein Frau im Spiegel, 12.02.2002 Frau spielt mit Pompons Westdeutsche, 30.04.2001 Eine Spätberufene im Reich der Kunst Nürnberger Nachrichten, 18.10.2000 Menschen mit Farben charakterisieren Amberg, 27.08.2000 Kunstwerke, die motivieren und inspirieren Pressebericht Waldsassen, 11.06.1999 Kunst fürs Publikum? Pressebericht Lauf, 17.03.1998 Stahl im Bauerngarten, Farb-Kraft vor Fachwerk Pressebericht Galerie Schaller, 15.10.1997 |