02.12.2004 - Kunstverein Erlangen
02.12.2004 - Kunstverein Erlangen
Vernissage: | 02.12.2004 |
Titel: | Ausstellungstitel: Menschenbilder |
Örtlichkeit: | Kunstverein Erlangen |
Zeitraum: | 02.12 bis 31.12.2004 |
Laudatio: | Georg Graf von Matuschka |
Projektleitung: | Liz Bayerlein |
Mit freundlicher Unterstützung von: | Kunstverein Erlangen |
Sehr geehrter Herr Fischer, liebe Liz Bayerlein, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde der Kunst! Zur heutigen Ausstellungseröffnung begrüße ich Sie und heiße Sie und die Künstlerin herzlich willkommen. Liz Bayerlein nennt ihre Ausstellung „Menschenbilder“. Und in der Tat sind wir heute umsäumt von einer Vielzahl unterschiedlichster Menschen, spezifischen Charakteren, Männern, wie Frauen, jeweils einzeln in den Bildgrund komponiert, das Körperliche überwiegt Accessoires und Modisches. Wissen Sie, manchmal ist es schön, eine Suchmaschine im Internet zu bedienen. Nehmen wir mal an, Sie geben „Liz Bayerlein“ ein. Klar, da stoßen Sie auf etliche Bilder, die die Künstlerin mit Ihrer Homepage http://www.liz-bayerlein.de veröffentlicht hat. Nehmen wir ein anderes mal an, Sie geben diese knappe Wortfolge ein: „1 Milliardstes Bild“. Sie erhalten 3 Treffer bei der Suchmaschine Google. Und einer der Texte davon liest sich nach dem Anklicken wie folgt: (26.03.2004) - Die Filter-Technologie für Web-Content von Internet Security Systems (ISS) hat das 1 Milliardste Online-Bild gespeichert. Damit verfügt der Sicherheitsanbieter aus Atlanta nach eigenen Angaben über die weltweit größte Bilddatenbank, gefolgt von Google mit schätzungsweise 880 Millionen Bildern. Kunden nutzen die Datenbank, um mit Hilfe des Software-basierten Proventia Web-Filters bzw. mit den Proventia Multifunction Appliances Inhalte aus dem Internet zu blocken oder zu kontrollieren. Das 1 Milliardste Bild ist eine Fotografie, des Gemäldes \"Doris in Rot\", der deutschen Malerin Liz Bayerlein, aus dem Jahr 2003. Das Werk zeigt eine unbekleidete Dame und wurde von den ISS Web-Crawlern korrekt in der Rubrik \"Kunst/Museum\" und nicht unter \"Pornographie\" gespeichert. Möglich ist dies aufgrund von Artificial Intelligence (AI) Algorithmen, welche die ISS-Technologie verwendet. Dadurch werden Unternehmen noch zuverlässiger dabei unterstützt, unerwünschte Inhalte aus dem Internet zu blocken. Sie schützen sich so gegen Einbußen bei Produktivität sowie Bandbreite und reduzieren potenzielle rechtliche Folgen, die der Umgang von Mitarbeitern mit entsprechenden Web-Inhalten für das Unternehmen nach sich ziehen könnte. Das 1 Milliardste Bild zeigt \"Doris in Rot\" von Liz Bayerlein. Sehen Sie, das ist die Geschichte wie „Doris in Rot“ zu einer Berühmtheit, zur einer Miss-World des WorldWideWeb wurde. Und heute können Sie „Doris in Rot“ hier im Original sehen. Und noch mehr, sie können sie auch kaufen und fortan besitzen. Nun ist „Doris in Rot“ eine Leinwandarbeit aus dem Jahre 2003, also ein jüngeres Werk der Künstlerin. Sie ist eine von jenen Abgebildeten hier im Raum, für die die Malerin Modelle benötigte, um zu ihrer unverwechselbaren Bildsprache zu gelangen. Die neuesten Bilder lösen sich von dieser Affinität zum lebenden Modell, es sind nunmehr innere Chiffren, doch dazu später mehr. Liz Bayerleins Werdegang ist außergewöhnlich. Die 1951 in Bernkastel-Kues geborene Künstlerin begann vergleichsweise erst sehr spät, ihren Weg als Künstlerin zu gehen. Sie zählt heute zu jenen Künstlerinnen im fränkischen Raum, die längst regional und überregional bekannt ist und der das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst das Prädikat „sammlungswürdig“ verliehen hat. Das Staatsministerium und die Hypo-Kulturstiftung haben Werke der Künstlerin angekauft. Die heute in Nürnberg lebende und arbeitende Künstlerin ist keinen leichten Weg gegangen. Ihre ersten Arbeiten zu ihrem Projekt „Menschenbilder“ malt sie auf Papier. Das geschieht unverstellt, uneitel und ohne akademische Lenkung. Im kleinen Galerieraum sind viele Arbeiten aus dieser Zeit zu sehen, datiert 1994 und davor. Dann, während einer Sommerakademie, wird der Maler und Kunstprofessor Georg Karl Pfahler auf das Talent der Malerin aufmerksam. Aufgrund dieser Empfehlung und des sogenannten „Genieparagraphen“ wird sie, nach einer Sonderbegabtenprüfung, an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, aufgenommen. Sie beginnt ihr Studium bei Prof. Günther Dollhopf. Mit 44 Jahren eine neue Karriere zu beginnen, ist zwar heute nichts Ungewöhnliches mehr, aber der mutige Schritt in diesem Alter als Künstlerin ins Ungewisse zu schreiten, verlangt Respekt ab. Der Erfolg wartet nicht lange. Sie beteiligt sich an zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen und gewinnt ihre unverwechselbare Handschrift. Bis 1999 malt sie auf Papier, anschließend, mit dem Wechsel in die Klasse von Prof. Werner Knaupp, wendet sie sich dem Leinwandbild als Trägermaterial zu und konfrontiert den Betrachter mit großformatig angelegten Posen ihrer Akteure. Die Hell-Dunkelkontraste werden immer differenzierter und modellierter eingesetzt. Sogenannte Neonfarben scheinen auf. Liz Bayerlein äußert sich, in einem Informationstext zur aktuellen Ausstellung auf der Internetseite des KVE, zu ihrem bildnerischen Werk und verrät uns ihr Anliegen. „Die Menschen sind allein im Bild und vollkommen auf sich selbst gestellt. Durch den ungewöhnlichen Einsatz von Hell-Dunkel-Werten und einem kontinuierlich abgestuften Farbverlauf scheinen sie von innen heraus zu strahlen. Diese Wirkung wird noch verstärkt durch die meist monochrome Farbigkeit des Umraums, die die Aura des Dargestellten beschreibt.“ Liz Bayerlein stellt die Körperlichkeit bzw. die Leiblichkeit von Zeitgenossen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Es sind Menschen, wie sie uns auf der Straße, in der Arbeit oder im Park begegnen könnten. Kurz, Mitmenschen, die meist gänzlich ihrer Kleider entledigt, manchmal mit knappen Hüllen versehen, Haltungen und Befindlichkeiten präsentieren. Die meist monochrome gewählte Farbigkeit abstrahiert vom natürlichen Erscheinungsbild und lenkt uns auf psychische Charakterisierungen. Damit gelingt es Liz Bayerlein, den Körpern das vordergründig Nackte oder eine provozierende Blöße zu nehmen. In Farbe getaucht sind ihre Menschen Sinnbilder der Vereinzelung, des Müßiggangs, der Lethargie. Es überwiegt das Posieren bzw. das Innehalten vor dem Handeln. Der Mann mit Besen fegt nicht, die Frau mit Schirm drapiert sich, die Frau auf dem Seil spannt nicht einmal das Seil, auf dem sie sitzt. Und allüberall: Hände und Füße verkümmern zu kleinen, wenig handlungstauglichen Organen. Köpersprache kann mehr sagen, als tausend Worte. Wer genau hinsieht, erblickt in seinem Gegenüber Stärke, Schwäche, Sicherheit, Unsicherheit, Wachheit, Müdigkeit, Sorglosigkeit, Verkrampftheit, hybride Männlichkeit, verstörende Egomanie oder Preisgabe lächerlicher Attitüden, gleich welchen Geschlechts die Protagonisten sind. Im oben erwähnten Informationstext heißt es: „Die genau kalkulierten, farblich und formal verdichteten Kompositionen, die auf jegliche idealtypische Überhöhung verzichten, evozieren beim Betrachter eine unbestimmte Mischung aus Vertrautheit und Irritation. Er fühlt sich konfrontiert mit menschlichen Befindlichkeiten wie Sicherheit und Geborgenheit, Einsamkeit und Isolation, dynamischem Aufbruch voller Entschlossenheit, aber auch einer resignativen Trägheit. Liz Bayerleins gemalte Menschen werden somit zu einer Projektionsfläche für eigene Befindlichkeiten – die des Dargestellten, die des Betrachters und die der Malerin.“ Allein gelassen, mit diesen typisierten Körpern unserer westlichen Zivilisation, finden wir bei den Bildwerken oftmals ein Gegenüber, das in sich verharrt und mundtot ist. Das lässt Gedanken schweifen und melancholische Stimmungen reifen. Ging von diesen Menschen noch eine Spur von Wärme und Anziehung aus, so verliert sich dies in der neusten Werkfolge von Liz Bayerlein. In ihrem „Triptychon 2004“ verblassen die stereotyp dargestellten Figurinen mehr und mehr. Bei ihrem Anblick wird uns etwas schauerlich zumute und ihr hermetisches, in sich gekehrtes Wesen verrät uns, dass uns ein agierendes, kontaktreifes Gegenüber mehr und mehr verloren geht. Dieses Bild, so sagt Liz Bayerlein, ist nichts anderes als die heutige Zeit: Wesen, mit noch menschlichen Zügen, geraten zu Nummern auf unwirtlichem Feld und kühlem Grund. Eigentlich male sie nur die Zeiterscheinungen, sagt sie. Und in der Tat, diese gespinstig-gespensterhaften Wesen sehen beileibe recht gleichförmig und entseelt aus. Die Dreiergruppe zeigt auf einzelnen Tafeln die Isolation und Verlorenheit. Eine bittere Wendung in der Bildsprache der Künstlerin. Sie offenbart sich in nur wenigen Jahren (1994 - 2004) im Bogen zwischen den Extremen der heute ausgestellten Werke. In den Vitrinen zeigt Liz Bayerlein in ihren „Erinnerungskästchen“ Erinnerungsstücke. Eigentlich sind es Spuren, Elemente, Restzeichen von ursprünglich großen Gemälden. Farbreste wäre das falsche Wort. Es sind Stimmungsmomente. Auf den Deckeln hat Liz Bayerlein kleine Reproduktionen der Bilder fixiert. In den Schachteln liegen mehrere „Farbspiegel“ geschichtet. Mit diesen Teilen will die Künstlerin das Wesen der Bilder aufgefangen, aufgehoben und gewahrt wissen. Es sind kleine Botschaften an Sie, verehrtes Publikum. Es sind Animationen zu Farb- und Stimmungsphantasien, die ein Blick oder ein gestreuter Wurf dieser farblichen Fragmente ausüben soll. Vielleicht probieren Sie es? Sie sind eingeladen, mit ihren Sinnen Erfahrungen zu sammeln. Hier und heute, jetzt und hier. Aber deshalb sind wir ja gekommen. Ich wünsche Ihnen allen noch einen spannenden Abend mit vielen echten Begegnungen, sei es zwischen Betrachter und Bild, im Gespräch mit der Künstlerin oder als Dialog zwischen Ihnen und den ausgestellten Werken. Dem Erlanger Kunstverein gratuliere ich zu dieser Ausstellung und wünsche Ihnen und der Künstlerin, Liz Bayerlein, viel Erfolg und viel Resonanz. Georg Graf von Matuschka Leiter des Kultur- und Freizeitamts |