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Liz Bayerlein, „Sein oder Schein“, Kunstverein Kohlenhof Nürnberg; Laudatio: Hans Peter Miksch

Der Ausstellung gibt die Malerin den Titel „Sein oder Schein“. Ein philosophisches Grundproblem. Eine Variante ihres Mottos von 2008, als sie titelte „Von der Magie des Inneren im Äußeren“ - das Sein als das Innere, der Schein als das Äußere. Aber sind diese Motti auch ästhetische Gegensätze? Taugt eine solche Polarität als Problemstellung für die Bildende Kunst? Löst die Malerei von Liz Bayerlein nicht so gut wie jede Malerei diese Dichotomien auf in das Sein des Scheins - - - das Sein dessen, was da auf der Leinwand aufscheint und leuchtet? Ein Bild ist ein Bild ist ein Bild. Ich habe es immer lieber mit Oscar Wilde gehalten, der sagte, dass das wahre Geheimnis der Welt das Sichtbare ist, nicht das Unsichtbare („Das Bildnis des Dorian Gray“, 1890).

Als Künstlerin ist die 1951 an der Mosel geborene Liz Bayerlein eine Spätberufene. Erst mit dem 50. Lebensjahr hatte sie ihr Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg bei Prof. Werner Knaupp beendet, das sie mit Mitte 40 als Studentin von Prof. Günter Dollhopf aufgenommen hatte. Bereits vor dem Akademiestudium besuchte sie 15 Jahre lang verschiedene Malkurse. Richtungsweisend war 1994 die Sommerakademie in Salzburg, wo sie den seit 1984 in Nürnberg lehrenden Georg Karl Pfahler traf und von ihm ermutigt wurde, ein regelrechtes Kunststudium aufzunehmen. Seit mehr als 20 Jahren ist Liz Bayerlein freischaffend tätig.

Die an sich wirklich bemerkenswerte Tatsache, in der zweiten Lebenshälfte einen solchen Weg zu gehen, wird, so denke ich, der Würdigung der Kunst dieser Malerin bei jeder Eröffnung und bei jeder Ausstellungsrezension in der Presse beinahe wie eine Monstranz vorangetragen. Auch ich kann und will mich davon nicht frei machen. Ich habe mich jedoch gefragt, ob die späte Karriere einen Unterschied macht? Und wenn ja, welchen? Denn darauf habe ich bei keiner der mir zugänglichen Besprechungen eine Antwort gefunden.

Ich denke schon, dass das gelebte Leben vor dem Studium einen Einfluss hatte. Es ging mit 50 Jahren nicht mehr darum, sich koste-es-was-es-wolle abzugrenzen von dem was landläufig Kunst genannt wird, sondern darum, die eigene Persönlichkeit im Medium der Malerei zu entfalten. Wo ein jüngerer Mensch seine Persönlichkeit entwickelt, indem er die Autoritäten und das System Kunst in Frage stellt, sich an Institutionen und Regeln reibt, wo ein junger Mensch einen vorgeblich völlig neuen Weg für sich reklamiert, diesen aber erst mit seiner sukzessive heranwachsenden Persönlichkeit auszugestalten versucht, stand hier eine gereifte Persönlichkeit, die bestrebt war, für das, was sie ausdrücken wollte, eine bis dato nicht sicher beherrschte Sprache zu erlernen. Oder anders gesagt, die Malerei als Königsdisziplin stand wohl für Liz Bayerlein nie in Frage.

Wovor Liz Bayerlein auch immer Angst haben mag – Farbe ist es mit Sicherheit nicht!

Vom Beginn ihrer Zeit als freischaffende Malerin an, also seit der Jahrtausendwende, verbinde ich die Erinnerung an ihre Malerei mit intensiver Farbigkeit. Eine heftige, expressive Farbigkeit, die gewissermaßen die Ellenbogen ausfährt und Raum beansprucht und keine Kompromisse eingeht. Keine Farbigkeit für ängstliche Naturen.

Wobei der Einsatz von Farbe in Liz Bayerleins Bildern nicht disharmonisch anmutet. Der flüchtige erste Eindruck täuscht, ja, im Gegenteil ist der Betrachter überrascht, welche Ruhe die unterschiedlichen starken, aber austarierten Kontraste auszustrahlen vermögen: Komplementär- und Simultankontrast, Hell-Dunkel-Kontrast – alles funktioniert einzeln, vor allem jedoch in Kombination. Diese Malerei strebt eher nach dem mittleren oder größeren Format, denn eine gewisse Leinwandgröße ist den Absichten der Künstlerin förderlich. Nicht nur aus praktischen Gründen tendiert sie dabei seit etwa 2008 zum Diptychon, denn das ist groß, aber transportabel. Ebenfalls seit jener Zeit stellt die Malerin häufig Interieur, Blüten, Pflanzenspaliere, schlichte Gitternetze o.ä. Muster den Akten zur Seite.

Die einem ersten Blick monochrom anmutende, der Lasuren wegen aber mehr oder weniger sublim changierende Farbigkeit ist der eine Pol dieser Bilder.

Der andere sind die Körper: Liz Bayerlein malt figürlich. Mit wenigen Ausnahmen malt sie Akte direkt nach einem Modell oder zumindest nach Zeichnungen von einem Modell. Aber nicht in einem akademischen Sinn, nicht realistisch, nicht naturalistisch. Die Akte sind von einer unschuldigen Reinheit. So fast obszön die Expression der Farbigkeit ist, so unbekümmert-intim, ja bisweilen märchenhaft wirken die Posen der anonymen Gestalten. Diese Akte stellen sich nicht selbst zur Schau, sie sind einfach. Und wir Betrachter werden auch nicht zu Voyeuren gemacht, denn die Anonymisierung bis hin zur Deformation blendet die Möglichkeit eines Abgleichs mit der Wirklichkeit im Grunde aus.

Die in sich ruhenden Figuren, die nichts von ihrer Nacktheit zu wissen scheinen, und die ihnen beigeordneten Pflanzen und Interieurs erinnern mich in ihrer Selbstversunkenheit und ihrer Hingabe an ihre Gefühlswelt an den großen Naiven Henri Rousseau. Die Farbigkeit hingegen an Malerei von Roy Lichtenstein oder Siebdrucke von Andy Warhol. Aber es gibt in der Kunstgeschichte eine noch zwingendere Analogie, nämlich den Orphismus oder, wie ihn die Maler selbst nannten, den Simultanismus einer Sonia und eines Robert Delaunay. Die sich beide wiederum auf Henri Matisse bezogen, einen der Hauptvertreter des französischen Expressionismus, des Fauvismus. Eine Malerei, die mit Komplementärkontrasten die Leinwand zum Schwingen und Leuchten bringt, bei der jede Farbe Ausdrucksträger des Lebendigen ist, eine reine Malerei, mit anderen Worten eine rhythmische Farbharmonie, die es der reinen Musik gleichtun wollte. (Sie erinnern sich, liebe Frau Bayerlein, dass ich bei meinem Atelierbesuch spontan sagte, dass ich Ihre Bilder ungeheuer „matissehaft“ finde.)

Das Diptychon, das auf der Einladungskarte abgedruckt ist, gibt dafür ein typisches Beispiel ab: Rot und Grün bilden einen starken, sich steigernden und auch stützenden Kontrast. Das senkrechte Blau wiederum gibt dem in verschiedenen Grüns changierenden Akt mit den ebenfalls blauen Haaren Halt und trennt zugleich als nächtlicher Himmelsausschnitt mit einem fern scheinenden roten Gestirn den Bildraum – ein Draußen und ein Drinnen. Linker Hälfte ist dem Akt auf dem Teppich vor der roten, ornamentierten Wand die lila-gestreifte Vase mit den gefüllten Pomponette-Gänseblümchen beigegeben. Rechter Hälfte wird die rosafarbene Sitzfläche mit dem roten Kussmund des surreal auf einem nadelspitzen Bein balancierenden Stuhls vor der grünbetupften roten Wand stabilisiert durch den von rechts hereindrängenden blauen Balken, wohl ebenfalls ein Gewebe mit herabhängenden Fransen, ein Pendant zu dem Teppich. Alles funktioniert genauso, wie man es dem Simultanismus zuspricht: Die Kontraste versetzen die Leinwand in Schwingung und sind Ausdrucksträger des Lebendigen.

All das könnte man auch treffend charakterisieren mit dem schönen Satz, den ich bei John Berger in einem Aufsatz über Modigliani (J.B., Modiglianis Alphabet der Liebe, 1981, in ders., Das Sichtbare und das Verborgene, München, Wien, 1990) fand:

Die Leuchtkraft des Körpers wird zum emblematischen Feld der Intimität.“

Übersetzt heißt das, dass alle Sinnlichkeit in der Leuchtkraft der Farbe liegt, mit der der Körper gemalt ist – die Farbe als Sinnbild der Intimität.

Und Berger schreibt weiter, und es wird noch stimmiger, so, als habe er Bayerleins beseelte Körperlandschaften vor Augen gehabt und würde ihren Blick darauf deuten, von dem sie uns malend berichtet:

Es ist zugleich der Körper und die Aura dieses Körpers, die ein anderer liebevoll wahrnimmt.“

Wenn die Akte deformiert erscheinen mit stark verkleinerten Händen oder wie verkrüppelten Füßchen, dann hat das ganz pragmatisch den Grund, dass beides im Einzelfall nicht wichtig ist. Wichtig ist, dass die Körpersprache stimmt. Unser Körper drückt eine Stimmung aus, ob wir wollen oder nicht. Denn der Körper lügt nicht. Auf diese Weise einen Körperausdruck malen, heißt Gefühle malen.

Die Erkenntnis, dass Malerei Darstellung von schwer beschreibbaren Gefühlen/Stimmungen ist, ist alles andere als neu. In der Erzählung „Massimilla Doni“ von Honoré de Balzac von 1839, in der es um das Verhältnis der ‚Liebe zur Oper‘ zur ‚Oper unserer Liebe‘ geht, zieht die Protagonistin, die Herzogin Massimila, einen Vergleich zwischen der Musik und der Malerei (H.d.B., Musikalische Gemälde, Die andere Bibliothek, Berlin 2019, S. 261):

„In der Sprache der Musik (...) heißt Malen soviel wie gewisse Erinnerungen in unseren Herzen oder gewisse Bilder in unserem Geist durch Töne erwecken, und ebenjene Erinnerungen, ebenjene Bilder haben ihre Farbe, sie sind traurig oder heiter. (...) Haben Sie, wenn Sie goldene Arabesken auf blauem Grund betrachten, dieselben Gefühle, die in Ihnen rote Arabesken auf schwarzem oder grünem Grunde erregen? (...) Die Kunst malt mit Wörtern, mit Tönen, mit Farben, mit Linien, mit Formen; die Mittel sind zwar verschieden, aber die Wirkungen sind die gleichen.“

Körpersprache/Body language: Unser Körper spricht über uns, er spricht zu uns. Und in der Tat, eine ganze Erzählung liegt in der Haltung von Kopf und Körper in den Bildern von Liz Bayerlein. Manche Bilder Bayerleins sind wie Märchenbilder für Erwachsene, eben nicht nur poetische Ornamente, sondern auch psychologisierende Ästhetik. Nicht bloße Farb-, sondern auch Fabulierlust:

- Wie unberührbar ist der androgyne rote Bärtige, der auf dem gelben

Beistelltisch stehend in einem Vogelkäfig gefangen ist beziehungsweise sich selbst gefangen hält? Doch gibt er anscheinend der hinter dem Obstspalier Hockenden mit der blauen Bob-Frisur einen Fingerzeig. Ein Ausweg aus beider Gefängnissen? Ein Weg, der beide zueinander führen könnte?

- Ein ernstes Gespräch lediglich mit Blicken, ein Augen-Duell führen die zwei

weiblichen Figuren – links die lebendige Wärme Abstrahlende hinter dem berankten Gitter, rechts die dagegen in kaltem Blau scheinbar Erstarrte vor den Gitterstäben in der dunklen Bildhälfte. Beide anscheinend bedroht durch fliegende Blüten, deren drei Kronblätter wie die Parierhaken eines Schwerts wirken.

- Über das Bild „Good Morning“ mit der weiblichen Gestalt in dem rosafarbenen

Negligé schrieb Liz Bayerlein in einem Text, den sie anlässlich der Ausstellung verfasst hat, dieses Bild sei zu Beginn des Ukraine-Kriegs entstanden und zeige: „...eine Frau mit einem blauen (Trauer-)Ring..., die von einer spitz zulaufenden roten Blume bedrängt wird. Ein Wegweiser ins Nichts, ein Gitter, züngelnde, schwarz umrandete Pflanzen – allesamt Symbole für tief empfundenes Chaos, für das Gefühl von Verlust und Bedrohung durch Krieg.“

- Eine Sonderrolle nehmen, wie die Künstlerin selbst bekennt, ihre sogenannten

„Nummernbilder“ ein. Diese Serie entstand nicht nach bzw. vor einem lebenden Modell, sondern nach Modelfotos einer Wäschewerbung. Sie kreisen um das Thema der scheinbar alterslosen Schönheit. Der Modedesigner Wolfgang Joop sagte dieser Tage in einem Interview mit der NZZ den alles Wesentliche dazu erläuternden Satz, der auch über den Nummernbildern stehen könnte:

„Schönheit ist eine sichtbare Tragödie, denn man verliert sie wieder.“

 

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Liz Bayerlein, „Menschenbilder“, Galerie Sutter-Kress, Erlangen; Laudatio: Martina Sutter Kress, M.A.

Als erstes möchte ich Ihnen die Künstlerin vorstellen. Liz Bayerlein lebt und arbeitet in Nürnberg, und was das besondere in Ihrer Vita ist – sie hat sich erst relativ spät endgültig für ein Studium an der Nürnberger Akademie, und damit für die Kunst entschieden. Ein Zugang zur Akademie ist normalerweise Menschen über dreißig verwehrt – normalerweise – es sei denn, man überzeugt durch eine „außergewöhnliche künstlerische Begabung“ – und die brachte die Künstlerin mit, sodass ihr 1995 die Aufnahme in der Kunsthochschule gelang. Seitdem stellt sie regelmäßig aus, und bald waren auch verschiedene öffentliche Institutionen von ihrem Können überzeugt – sodass beispielsweise das bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, aber auch die HypoKulturstiftung in München jeweils eine größere Werkgruppe von ihr erworben haben. Aber das können Sie im einzelnen auch in den ausgelegten Faltblättern nachlesen.

Nun zu den Bildern - Liz Bayerlein malt Menschenbilder – und das ausschließlich. Zunächst einmal sind ihre Menschenbilder reduziert formulierte, figurative Arbeiten in klarer Formensprache und expressiver, kontrastreicher Farbigkeit. Dabei geht es der Künstlerin nicht um die realistische Wiedergabe der sichtbaren menschlichen Hülle - das ist offensichtlich. Die zum Teil voluminösen Körper mit der typisierten Physiognomie und den kleinen, ja manchmal winzigen Händen und Füßen mögen für manchen Betrachter fast monströs wirken.

Aber Liz Bayerlein erliegt ohnehin nicht dem Charme einer ästhetisierten äußeren Erscheinung. Ihr Blick geht tiefer, tief ins Innerste ihres Gegenübers. Hier sucht sie einfühlsam nach verborgenen elementaren Empfindungen, nach kaum erkannten Wahrheiten, die sich in Form atmosphärischer Ausstrahlung bemerkbar machen – und diese übersetzt sie konsequent in nuancierte Farbgefüge. Aber ihre Menschenbilder sind nicht nur reflektierte Wahrnehmungen von außen, sondern es sind auch Figur gewordene Projektionsflächen für eigene Befindlichkeiten.

Ihre Arbeiten implizieren wie selbstverständlich menschliche Gefühle wie Einsamkeit und Isolation, aber auch solche wie Sicherheit und Geborgenheit, dynamischer Aufbruch voller Entschlossenheit wird genauso thematisiert, wie eine resignative Trägheit.

„Ihre Menschen“– so nennt Liz Bayerlein sie liebevoll – ihre Menschen sind zwar alle alleine im Bild, aber sie können, so wie hier in dichter serieller Anordnung, ganz gut miteinander kommunizieren. In früheren Arbeiten hat Liz Bayerlein ihnen noch ein „Heim“ gebaut, d. h. sie mit ganz spezifischen Attributen versorgt, heute hingegen verzichtet sie weitestgehend auf eine gegenständlich ausformulierte Umraumgestaltung. Monochrome, manchmal auch bichrome Hintergründe deuten einen Ort an, definieren ihn jedoch nicht genauer. Die Menschen sind nun vollkommen auf sich selbst gestellt, der Blick des Betrachters kann sich auf die plastischen Figuren mit dem leuchtenden Inkarnat konzentrieren. Durch den ungewöhnlichen Einsatz von Hell-Dunkel-Werten und einen kontinuierlich abgestuften Farbverlauf scheinen die Menschen in den Bildern von innen heraus zu strahlen. Diese Wirkung wird noch verstärkt, durch die in sich homogenen Farbzonen des Umraums.

Ihn hat die Künstlerin meist in einer kontrastierenden, manchmal sogar in einer komplementären Farbe angelegt. In ihren jüngsten Bildern jedoch hat sie auf diesen Farbkontrast verzichtet. Figur und Umraum gleichen sich farblich aber auch bezüglich der Tonwerte an. Verbunden mit diesem Prozess ist eine noch weitergehende formale Reduktion, was sich vor allem hinsichtlich der Binnenzeichnung bemerkbar macht. Diese Entwicklung im Werk von Liz Bayerlein, kann man besonders gut erkennen, wenn man die Arbeit „Frau auf blauem Sessel (1999) mit ihrem aktuellsten Bild vergleicht. Es ist in diesem Jahr entstanden und trägt den Titel „auf dem Weg“: zielstrebig, forschend, erobernd drängt die Figur vorwärts– genauso, wie die Künstlerin selbst.

Auch Liz Bayerlein beschreitet mit ihrer Kunst ganz neue Wege. Denn, auch wenn sie sich innerhalb einer langen Maltradition bewegt- den Akt als Bildmotiv gibt es natürlich schon seit rund 600 Jahren - so hat sie doch eine ganz eigene Bildsprache gefunden. Ihre kraftvollen Menschenbilder sind genau kalkulierte, farblich und formal verdichtete Kompositionen, die auf jegliche idealtypische Überhöhung verzichten. So evozieren sie beim Betrachter eine unbestimmte Mischung aus Vertrautheit und Irritation, und sorgen somit für eine lang anhaltende Spannung, wie sie in der Kunst unerlässlich ist.

Martina Sutter-Kress

 

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Liz Bayerlein, „von der Magie des Inneren im Äußeren“ Fojer 98, Hannover; Laudatio: Dr. Jürgen Sandweg, Kunstmuseum Erlangen

„Menschenbilder“ hat Liz Bayerlein in früheren Ausstellungen ihre subtilen, farbintensiven Körpersprache-Studien/“Porträts“, die vor dem nackten „Modell“ entstehen, genannt. Denn die malerische Erfassung eines zunächst von Unschuld und Anmut geprägten Menschen, wo Malerin und „Modell“ sich sympathetisch begegnen und einander kennenlernen, war und ist das anspruchsvolle Ziel dieser Künstlerin.

Dies gilt natürlich auch für die neuen Diptychen, in denen ein Akt mit einer Landschaft oder einem klug gewählten Interieur kombiniert wird, so daß man wirklich von „Seelenlandschafts-Bildern“ sprechen kann.

Und dies gilt m.E. auch für die ganz neuen Bilder von Liz Bayerlein, in denen sie mythologische Bezüge zwischen einem ihrer „Modelle“ und Grundkonfigurationen/Archetypen des Menschlichen herstellt.

Daß hier keine junge, sondern eine lebenserfahrene und noch immer neugierige Künstlerin ihre Bilder verantwortungsvoll gestaltet, spürt man/frau. „Ihre Arbeiten implizieren wie selbstverständlich menschliche Gefühle wie Einsamkeit und Isolation, aber auch solche wie Sicherheit und Geborgenheit; ein dynamischer Aufbruch voller Entschlossenheit wird genauso thematisiert wie eine resignative Trägheit.“ (Martina Sutter-Kress M.A., 2003) Spannend auch, daß der Künstlerin die Arglosigkeit und der humorvolle Blick geblieben sind oder sie beides im Schaffensprozeß immer wieder gewinnen kann.

Das Wesen, die Seele, den Charakter eines Menschen in einem einzigen Bild wiederzugeben, kann heutzutage kein ernsthafter Anspruch eines Künstlers sein. Aber offenbar ist es der Sensibilität der Künstlerin möglich, einem Menschen, der bereit ist, sich seiner Nacktheit zu stellen und der Malerin zuzutrauen, ihn in seiner Körpersprache wahrzunehmen, d.h. wahr zu nehmen, und ihm/uns Betrachtern ein Bild zu vermitteln, in dem viel Unbewußtes mitschwingt, mit seinem „Porträt“ gerecht zu werden. Dieses „Erscheinungsbild“ sagt dann über ihn – oft ist es eine SIE, vielleicht weil frau sich eher frau anvertraut – mehr aus als ein traditionelles, gar noch in Auftrag gegebenes „Porträt“. Und in jedem Fall steht dann kein (vielleicht gar berufsmäßiges Akademie-) Modell vor unseren Augen, sondern ein ganz individuelles „Modell“, d.h. ein in seiner Persönlichkeit erfaßter Mensch.

Der nackte Mensch ist statuslos, schutzlos, auf sich, d.h. seine Biographie, seinen Lebensentwurf, seine Grundstimmung, seine Körperlichkeit zurückgeworfen. Er begreift sein An/Für-sich-sein. Das Für-Andere-sein, das In-der-Welt-sein ist weggeschoben. Welche Haltung (keine Pose – die ist auch nicht durchzuhalten beim unprofessionellen „Modellstehen“!) kann Er/Sie einnehmen, wenn Er/Sie sich freiwillig und unbezahlt der Malerin präsentiert? Welche Bekenntnisse gibt Sie/Er im Gespräch von sich, was verschweigt Sie/Er? Welche Verfremdungen/Verkürzungen/Abstraktionen, welche (Farb)Interpretationen im irgendwann fertigen Bild erwartet/befürchtet Er/Sie?

„Die meist monochrom gewählte Farbigkeit abstrahiert vom natürlichen Erscheinungsbild und lenkt uns auf psychische Charakterisierungen. Damit gelingt es Liz Bayerlein, den Körpern das vordergründig Nackte oder eine provozierende Blöße zu nehmen.“ (Georg von Matuschka, 2004).

Für ihre verführerischen Aktbilder bedarf Liz Bayerlein einer Technik, die im Handwerklichen nur als grundsolide und akribisch und im malerischen Ergebnis als souverän bezeichnet werden kann. Die meisten ihrer Bilder bestehen aus vielen Übermalungen! Dies gilt es im genauen Hinschauen bei jedem einzelnen Bild wahrzunehmen: für die kleinen, aber fürs Ganze enorm wichtigen Details/Nuancen und für die Gesamt-„Kontur“/Komposition.

Ein Blick auf die den „Menschenbildern“ vorangehenden, zunächst ungegenständlichen Arbeiten von Liz Bayerlein (s. die Abb. 1 u. 2) zeigt, wie die Künstlerin mit sparsamen malerischen Mitteln (wozu man auch die Verwendung von Collage-Elementen rechnen muß) Gefühlszustände ebenso klar wie atmosphärisch dicht wiederzugeben versteht und sie sich auch nicht scheut, dies in der Wahl ihrer Bildtitel kundzutun. Wohl im Vertrauen auf die von der Intuition und der unbewußten eigenen Körpersprache geführte Malhand sehen wir auf klug komponierte und differenziert gemalte „Seelenlandschaften“.

In anderen frühen ungegenständlichen Arbeiten (s. die Abb. 3 u. 4) entwickelt Liz Bayerlein ihre expressive Farbpalette. Diese Bilder können m.E. auch ohne Titel bestehen, insofern sie dem Betrachter ein kraft- und reizvolles Widerspiel von Formen und Farben anbieten, das ihn zu einer eigenen inneren Bewegung auffordert.

In ihren großformatigen Acryl-Arbeiten auf Papier in den Studienjahren auf der Akademie schließlich (s. die Abb. 5 u. 6) kreiert Liz Bayerlein eine ganz eigene Sicht auf den menschlichen/weiblichen Körper. Nicht die anatomische Richtigkeit interessiert sie hier, sondern der Gesamteindruck einer Person im Raum. Gepaart mit einer flächigen Wiedergabe dominiert die Haltung des Modells, spielt die farbige „Erzählung“ von der subjektiven Wahrnehmung der Malerin eine unübersehbare Rolle.

Das Äußere eines Menschen kann uns verführen, das Innere be/verzaubern ( - oder befremden/erschrecken). Das Wesentliche einer Person ist ihre Individualität, ihre Unverwechselbarkeit, ist ihr komplexes und z.T. widersprüchliches Wesen. Daß Äußeres und Inneres, Oberfläche und Tiefe einander bedingen und brauchen, hat nicht nur Künstler und Denker wie Friedrich Nietzsche und G.E.Lessing, Max Beckmann und Tomi Ungerer beschäftigt. „Fast immer ist in Bayerleins Bildern der Mensch im Raum allein und auf sein Selbst zurückgeworfen. Er nimmt weder Notiz vom Betrachter, noch von den Gegenständen um ihn herum. Obwohl das Gesicht regungslos bleibt, bewußt als Farbfläche behandelt wird, scheinen Bayerleins Modelle von innen heraus zu leuchten. Sie strahlen eine unmittelbare Präsenz aus, der man sich so leicht nicht entziehen kann.“ (Eva Schickler M.A.)

Es war vorher vom Freudschen Unbewußten die Rede. Wir greifen von uns selber bei aller Selbst- und Fremdreflexion ja nur meist das rational und verbal Wahrnehmbare auf. Daß in uns – unsere Träume, Ängste und Sehnsüchte sagen es uns – noch andere Quellen im Hinter- und Untergrund unserer Existenz fließen, können wir oft nicht mal richtig verarbeiten, weil wir uns dessen gar nicht bewußt sind. Und mit der Sublimierung und Selbststilisierung ist das so eine Sache. Denn unser Anteil am kollektiven Unterbewußten, an den „Archetypen“ der Spezies homo sapiens kommt noch gravierend hinzu.

Nicht jeder Mensch ist ein Lebenskünstler, aber jeder Mensch kann als Kunstwerk begriffen werden, wenn man/frau auf dessen Lebensentwurf und Willen/Ohnmacht beim Umgang mit – oft bloß vermeintlichen – „Stärken“ und „Schwächen“ schaut. Dies zu erfassen und malerisch wiederzugeben zu suchen, ist, wie gesagt, ein anspruchsvolles Unterfangen. Liz Bayerlein gelingt es.

Denn einen akademischen Umgang mit dem „Modell“ gibt es bei dieser Künstlerin nicht, darf es auch nicht geben, insofern in ihrem Anspruch, die fremde, nur teilweise (an)vertraute Innerlichkeit malerisch wiederzugeben, unübersehbar auch der Mut steckt, mit der eigenen (charakterlichen, biographischen und künstlerischen) Blöße sensibel – und schöpferisch umzugehen. So muß man/frau ihre „Menschenbilder“ auch als Selbstgespräch, als Selbstreflexion, als virtuelles Lebensentwurf-Fragment begreifen, als Versuch, das Eigene im Anderen zu verstehen (zu verstecken?). Die Bilder „Ausblick“, „Alles im Fluß“ und „Einfach so in der Landschaft“ lohnen hier einen wachen Blick – nicht zuletzt, weil sie uns spürbar mit ihrem positiven Impuls bezaubern.

Angesichts der guten Reaktion in der Metropolregion Nürnberg auf die Werke von Liz Bayerlein – für 2010 sind Ausstellungen in Neumarkt, Weiden, Ansbach und Erlangen fest geplant – darf man auf die Resonanz in der Region Hannover gespannt sein. Der Künstlerin wie dem kunstverständigen Publikum ist von Herzen zu wünschen, daß in unserer immer mehr auf Anonymität und perfektes Design sich ausrichtenden Konsumgesellschaft die Berührung durch das Individuell-Menschliche nicht aus dem Zentrum der Selbst- und Fremdwahrnehmung verschwindet.

Dr. Jürgen Sandweg, Kurator des Kunstmuseums Erlangen

 

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Liz Bayerlein „Intimität wahr genommen“ , Galerie Ederer, Nürnberg; Laudatio: Prof. Günter Dollhopf, AdbK Nürnberg

„Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen gleich eingangs sage, dass ich die Arbeiten von Liz Bayerlein sehr schätze und ihrer Bitte, heute etwas zu ihnen zu sagen, nicht nur deshalb gerne nachkomme, weil ich stolz darauf bin, dass sie meine Schülerin war.

Ich halte ihre Bilder in der heutigen Kunstszene, die voll von Nachahmungen, Belanglosigkeiten und schnellen Events ist, in ihrer Eigenständigkeit für etwas Wertvolles. Ich habe sie während der Zeit ihres Studiums gegenüber Kollegen immer verteidigt, die ihre spröde Malerei in dieser Gegenständlichkeit verkannt haben. Besonders gegenüber dem, der immer postuliert hat, es gibt nur eine Kunst und die ist abstrakt.

Liz hat sogar gesagt ich hätte sie gezwungen, das zu machen, was sie macht, was mir überhaupt nicht gefällt, weil es mir widerstrebt, eine so bestimmte Persönlichkeit zu zwingen, etwas zu tun, was sie sowieso selbst macht.

Es gibt in der Kunstrezeption ein Wort, das ebenso schwer auszusprechen wie zu verstehen ist:

AUTHENTIZITÄT

Authentizität hat jemand, der authentisch ist. Authentisch kommt von ho authos. Das ist griechisch und heißt er oder sie selbst. Liz unterschreibt eines ihrer Bilder, die für mich eigentlich alle Selbstportraits oder Selbstsuche sind: „Ganz ich“, Acryl auf Leinwand, 120 cm x 100 cm aus dem Jahr 2001.

Die alten Griechen haben auch gesagt: „gnothi seauton“ und das heißt: „erkenne Dich selbst“. Damit haben wir zu fragen: „Was ist erkennen, was ist selbst.

Ist die Glut der Farben, die Klarheit der Form, die Bestimmtheit der inhaltlichen Darstellung sie selbst? Ist das das Bild ihres Selbstbewusstseins, ihrer Energetik, ihrer Emanzipation? Ist alles so klar und ausgesprochen?

Wäre da nicht die Melancholie der Haltung, die Stille trotz der kräftigen Farben, die Traurigkeit von Figur und Gestik, der Zweifel, der aus Formveränderung und Deformation spricht. Die gewisse anrührende Hilflosigkeit der dargestellten Menschen, die Paradoxie der Farbzuteilung.

Die „Frau vor gelbem Gitter“ hat einen blauen Kopf und grüne Beine. Ihr Leib leuchtet in warmem Rot.

Ein „Mann mit Brille“ stellt ein helles blaues Bein hoch, das nicht zu ihm zu gehören scheint.

Der Körper von „Sabine“ ist zu einem ungewohnten phantastischen Formkonglomerat geworden. Ein überraschend formuliertes Wesen, das zu einer künstlerischen Phantasiegestalt geworden ist und in unvorhergesehenen Umrissen gipfelt.

Die „Frau mit rosa Haaren“ findet ihre besondere Antwort in dem tiefer roten Polster des bettartigen Stuhls.

„Frau auf Seil“: Die Gesamtform des Körpers zur Linie des Seils! Die wunderbaren Deformationen in den Größenverhältnissen der Körperteile! Der Leib erscheint als Fläche. Wenig Modellierung im Inneren, damit die Kraft der Gesamtform wirkt und sich im Umriß sammelt, der sich als kostbares Ornament gegen den Hintergrund abzeichnet. So bedingt sich Positiv- und Negativform gegenseitig.

 

 

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Liz Bayerlein, „Intimität wahr genommen“, Reitstadel, Neumarkt; Laudatio: Bernd Zachow, Nürnberger Nachrichten

Meine Damen und Herren,
die heutige Ausstellungseröffnung ist für mich in zweierlei Hinsicht ein erfreuliches Ereignis.
Erstens begrüße ich diese Veranstaltung als einen weiteren Schritt zum kulturellen Miteinander in unserer Region. Zum Zweiten freut es mich, dass mit Liz Bayerlein ein weiteres Mal eine Angehörige der vielfältigen Nürnberger Kunstszene in Neumarkt präsentiert werden kann.

Liz Bayerlein ist eine Ausnahmekünstlerin, die spät, aber dafür umso heftiger zur Malerei berufen wurde. Ihre Mitstudenten an der Nürnberger Kunstakademie hätten vom Alter her größtenteils durchaus ihre Kinder sein können. Liz Bayerlein ist ist aber auch inhaltlich eine Ausnahmekünstlerin, weil sie sich hauptsächlich mit der menschlichen Figur beschäftigt. Da steht sie zwar in einer langen europäischen Tradition,

doch war diese  in jüngster Vergangenheit längere Zeit unterbrochen.
Denn im vergangenen 20. Jahrhundert wurde sehr ernsthaft von einer endgültigen Überwindung des Figürlichen in der Bildkunst gesprochen.

Begonnen hatte es mit der Erkenntnis, dass das "klassischen" Menschenbild etwas höchst  Fragwürdiges ist. Man entdeckte eines Tages erstaunt, dass die Kunst nichts ABSOLUT darstellen kann. Auch nicht den Menschen. Die gesellschaftliche Vereinbarung über die Wahrheit des Bildes muss immer wieder neu getroffen werden. Diese Verunsicherung der Künstlerinnen und Künstler führte zunächst zur ironischen Distanz von der intakten Figur. Das Menschenbild wurde verfremdet und verunklart. Die Bildermacher versuchten mit allerlei formalen Tricks die ständige Veränderung im menschlichen Erscheinungsbild sichtbar zu machen.
Das war zu Beginn des vorigen Jahrhunderts vor allem bei den Expressionisten und Kubisten der Fall.  Einige Jahrzehnte und zwei verheerende Weltkriege später wollte man dann vom Menschenbild  in der Kunst überhaupt nichts mehr wissen. Es wurde behauptet, nun gehe es ausschließlich im die Darstellung des  "Geistigen", und dabei störe der fehlerhafte irdische Mensch.

Das ging so bis in die unruhigen, erneuerungswilligen 1960er Jahre. Dann wurde es einigen Leuten langsam zu dumm. Der Sozialwissenschaftler Arnold Gehlen schrieb 1968, es sei "durchaus bemerkenswert, dass der Mensch, wie er ist, von der Kunst nach wie vor weitgehend ausgeschlossen bleibt. Und das in einer hochpolitischen, von humanen Appellen widerhallenden Zeit."

Das war tatsächlich so paradox, dass sich dagegen auch künstlerischer Widerstand regte. Zwar sehr langsam, aber nach und nach erlebte das Menschenbild nochmal eine Renaissance. Denn die Künstlerinnen und Künstler, ebenso wie die Kunstbetrachter, sind und bleiben halt Menschen. Und der Mensch interessiert sich eben naturgemäß am meisten für Seinesgleichen. Figürliche Kunst ist  darum auch heute unentbehrlich. Die Figur erlaubt es den Bildermachern, Körperliches, Seelisches und Geistiges als Einheit zu gestalten.

Die Malerin Liz Bayerlein beweist es. Sie malt figürlich, aber antinaturalistisch. Sie ist nicht daran interessiert, ein auf Ähnlichkeit zielendes Portrait zu malen, sie verwandelt vielmehr die nackte Realität in eine poetische Arabeske, in ein ästhetisches Ornament. Sie zeigt Nacktheit, ohne dabei ihre Modelle in irgendeiner Weise "bloß" zu stellen, sie abstrahiert  den menschlichen Körper. Ihre Aktbilder bestehen aus meist großflächigen, irisierenden Farbfeldern, die mehr oder minder hart aneinander stoßen. Die stilisierten Menschen sind in weitgehend indifferente, monochrome Flächenformationen eingebunden. Nur manchmal sind weite Landschaften angedeutet.

Diese radikale Reduktion erzeugt eine Archaik, die Bayerleins Akte zu Allegorien des menschlichen Daseins werden lassen. Wie gesagt: Ihre Bilder sind bei Licht betrachtet Abstraktionen, welche menschliche Körper und menschliche Befindlichkeiten andeuten.

Doch Beliebiges entsteht dabei keineswegs. Die Künstlerin versteht ihre so wenig portraithaften Aktbilder als Darstellungen unterschiedlicher Charaktere. Sie ist nämlich der Meinung, dass sich der Charakter eines Menschen weit weniger im Gesichtsausdruck als vielmehr in der Körperhaltung und
Körperverfassung manifestiert.

So zeigen ihre Akte -ungeschönt und ungeschminkt zum Beispiel gutmütige oder geistreiche, bewusst sinnliche oder eher naive Charaktere. Was Bayerlein damit meint, skizziert meines Erachtens sehr treffend eine Äußerung von Pablo Picasso aus den 1950er Jahren. Picasso sagte: "Was denken Sie, bedeutet es für mich, wenn ich einen Menschen male? Obwohl dieser Mensch einst für mich real war, ist er es nicht mehr. Er ist nicht länger ein Mensch, sondern eine Anordnung von Formen und Farben, die inzwischen die IDEE von einem  Menschen wurde, eine künstlerische Gestaltung, welche die Schwingungen eines Lebens bewahrt."

Auch deshalb malt Liz Bayerlein keine ausgesprochenen Schönheiten, keine glatten, nichts sagenden Berufsmodelle, sondern ganz normale Durchschnittsmenschen, die aber starke charakterliche "Schwingungen"  mitbringen. Bayerleins Bilder sind Reaktionen auf Alltagsbegegnungen. Aber die Künstlerin versteht es, das Individuelle und Zeitliche zum Archetypischen und Überzeitlichen zu verdichten.

Ihren starken Drang zum Archetypischen und Überzeitlichen beweist in jüngster Zeit ihre Hinwendung zur griechisch-römischen Mythologie. Sie malte zum Beispiel eine moderne Ausgabe der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter, die hier in Neumarkt zum allerersten Mal ausgestellt ist.

Manchen Betrachter mag übrigens immer noch erstaunen, dass sich ausgerechnet eine Frau derart intensiv mit weiblicher Nacktheit beschäftigt. Besonders neu ist das jedoch keineswegs. Im 19. und im frühen 20. Jahrhundert gab es diverse malende und bildhauernde Frauen, die vom Thema "Erotik und Akt" fasziniert waren. Berühmt wurden etwa die einschlägigen Werke von Camille Claudel, Paula Modersohn-Becker oder Suzanne Valadon. Deren Auffassungen sind freilich Geschichte. Liz Bayerlein sucht andere, heutige Wege. Dass sie an der Nürnberger Kunstakademie bei zwei Professoren studierte, deren eigene Kunst ständig zwischen Abstraktion und Figur oszillierte, mag sie vorübergehend beeinflusst haben, aber letztlich ist sie ganz und gar eigenständig geworden.

Die von ihr entwickelte Form der Aktmalerei verbindet eine fast kindliche Unschuld in der formalen Ausführung mit der Lebenserfahrung und mit dem Einfühlungsvermögen einer reifen Frau. Ihre Arbeiten gehören zweifellos zu den derzeit eigenwilligsten und charmantesten künstlerischen Leistungen in unserer Region.

 

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„Lebenslinien – sieben Künstlerinnen – Erlebnisse und Erfahrungen im Spiegel von Portraits“; Laudatio: Christina Pallin Lange, MA

Sehr geehrte Damen und Herren,

Erlebnisse und Erfahrungen bis in unsere Kindheit und Jugend zurückreichend haben uns geprägt und Niederschlag in unserem Leben, heutigen Wirken und wohl auch in unserem Äußeren gefunden. Hinter jedem Gesicht verbergen sich einzigartige Geschichten und Erlebnisse, Träume, Sehnsüchte, Schicksale Entscheidungen und Erfolge.

Unter dem Motto Lebenslinien zeigen die teilnehmenden Künstlerinnen mitunter sehr persönliche Einblicke in ihr Leben und Stationen ihres künstlerischen ‚Werdeganges.

An der Ausstellung zum TÜV Rheinland Kunstsommer 2011 nehmen sieben Künstlerinnen teil. Dies sind: Liz Bayerlein, Chris Bruder, Viola Dirschauer, Katja Fischer, Peggy Kleinert, Eva-Maria Mandok und Petra Simon. Damit zeigen wir in diesem Jahr ausschließlich Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Plastiken und Installationen von Künstlerinnen.

Persönliche Erlebnisse und Erfahrungen spiegeln sich in Ihren Arbeiten wieder. Im Mittelpunkt steht die Darstellung des Menschen. Bereits an dieser Stelle möchte ich allen Genannten für die positive gemeinsame Vorbereitung dieser Ausstellung danken.

Aus dem Portrait als Abbild des menschlichen Gesichts suchen wir Gemütslagen, Charaktere und die Auswirkungen von Erlebnissen und Erfahrungen herauszulesen. So heißt es doch: im Gesicht finden wir Spuren, die das Leben dort hinterlassen hat. Als Physiognomik bezeichnet man die Kunst, (die in unserer heutigen Zeit als Pseudowissenschaft gilt), aus dem physiologischen Äußeren besonders des Gesichtes, auf seelische Eigenschaften des Menschen zu schließen. Bereits in den Schriften von Aristoteles finden sich Zeugnisse und Darstellungen des Studiums physiognomischen Wissens.

Die darstellende Kunst erlaubt es in besonderem Maß, durch Farbe und künstlerisches Ausdrucksform, das sichtbare Äußere und das verborgene Innere sichtbar zu machen.

Damit möchte ich Ihnen die Künstlerinnen und ihre Arbeiten näher bringen.

Liz Bayerlein wurde 1951 in Bernkastel-Kues geboren. Sie studierte an der Kunstakademie Nürnberg Malerei bei den Professoren Dollhopf und Knaupp und ist seit 2000 als freischaffende Künstlerin tätig.

„Ich lasse mich ein auf äußerliche physiognomische Merkmale, erforsche den Charakter des Dargestellten in meist selbst gewählten Stellungen und gebe meinen visuellen Eindruck wieder, so präzise wie möglich.“ Was in diesem Zitat der Künstlerin nicht zum Ausdruck kommt, die von Liz Bayerlein dargestellten Menschen sind nackt.

Es handelt sich also um Aktmalerei, die jedoch auf alle beschreibenden Details verzichtet, die abstrahiert und den dargestellten Menschen auf das Wesentliche reduziert, auf Haltung, Würde, Ausstrahlung, Persönlichkeit. Oft sind ihre Menschen gesichtslos. Doch versuchen Sie selbst, ob sich die Gesichter in der Betrachtung der gesamten Erscheinung nicht wie von selbst ergänzen. Die großformatigen, häufig mehrteiligen Acrylbilder zeigen Menschen in kräftigen Rot-Orange-Tönen, in Blau und Grün. Abweichend vom realen Inkarnat, der Farblichkeit der Haut also. Liz Bayerlein legt sich nicht fest, in welcher Farbe ein Akt entsteht. Die Farbwahl geschieht während des Einlassens auf das Gegenüber, ist mit der Wahrnehmung der Künstlerin verbunden, ob sie das Gegenüber als kühle, warmherzige, impulsive, zurückgenommene, schüchterne oder starke Person empfindet. Farbe beschreibt in ihren Gemälden wichtige Wesenzüge des Menschen.

In früheren Bildern deutete die Künstlerin den Raum um die Personen sehr reduziert durch einen frontal oder schräg gezeigten Stuhl oder Sessel an. In ihren neuen Bildern schenkt die Künstlerin dem Raum um die Personen mehr Bedeutung. Die Farben des Bildhintergrundes umfangen die Akte in angelehnter oder kontrastierender Farbigkeit.

Neuere Bilder weisen auf zwischenmenschliche Beziehungen hin. „Gesprächspause“, 2011 entstanden, ist eines davon. Es erzählt von einer Beziehung zwischen Mutter und Tochter. „In Bildnissen anderer erforscht sich der Künstler selbst“, so Liz Bayerlein.

 

 

 

 

Kataloge
  • Liz Bayerlein,  "Malerei . Paintins", Nürnberg, o.J.
  • Ausstellungskatalog "Fokus Kunstmuseum Erlangen, Glanzlichter der Sammlung", Erlangen 2015,Hrsg: Kunstmuseum Erlangen, Textbeiträge: Joachim Herrmann, Bayer.i Staatsminister, Dr. Florian Janik, Oberbürgermeister Erlangen, Dr. J.Sandweg, Barb. Leicht MA
  • "Hypo Art 97 junge Künstler deutscher Akademien", Dokumentation Kunstankäufe an deutschen Kunstakademein 1996-1997,  München 1997, Hrsg: Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank AG, Projektkonzeption Achenbach Art Conslting, Projektleitung Beatrix Wiesner, HYPO-BANK
  • Ausstellungskatalog"Die Kunst des Portraits" Aus Erlanger Sammlungen, Erlangen 2008, ISBN 978-3-930035-13-7, Hrsg:Thomas Engelhardt, Stadtmuseum Erlangen, Textbeiträge: Dr. Siegfried Balleis, Thomas Engelhardt, Wisenschaftl. Mitarbeit Dr. Werner Heunoske
  • Ausstellungskatalog :"MYTHOLOGIE, GÖTTER - LIEBE - ABENTEUER", Hrsg: Kunstmuseum Erlangen, Erlangen 2017
  • Ausstellungskatalog „HONORING THE ART“ Skopje/Mazedonien 2015,  ISBN 978-9989-921-21-6,, HRSG: Klime Korobar, Textbeiträge: Klime Korobar, Andrej Zernovsky, Ferid Muhic, Eftim Kletnikov
  • Grafikmuseum Stiftung Schreiner, Bad Steben 2012: „FIGUR UND RAUM

          weitere Publikationen und Pressetexte sind im Archiv der Bibliothek des Instituts für Moderne Kunst Nürnberg archiviert, katalogisiert                  und online abrufbar (OPAC)

 

 Weblinks

 

Presseartikel

 Bilder von der "Magie des Inneren im Äußeren"
NN/Erlanger Kultur, 12.05.2009

Menschen in ungeschütztem Zustand
Nürnberger Nachrichten 19.05.2009


Die "Sternengeburt" wurde zur Sternstunde
Nürnberger Zeitung, 30.07.2008

"Große Sonderschau zum NN Kunstpreis"
Nürnberger Nachrichten, 30.07.2008

"Reizvolle Kontraste beim NN Kunstpreis"
Nürnberger Nachrichten, 13.08.2008

"Was tut die schwangere Nackte in der Industriehalle"
Nürnberger Nachrichten, 16.08.2008

Auch streiten ist eine Kunst - BBK-Künstler stellen aus
Liz Bayerlein zeigt Frauenbilder im Kunsthaus Nürnberg
Nürnberger Zeitung, 23.01.2008

Schönheitskult wird hinterfragt
Liz Bayerlein zeigt ihre Werke in Skopje
Nürnberger Nachrichten, 07.07.2006

"Ich bin schön"
Makedonnja - Skopje, 22.06.2006

Schöne Speckröllchen
Nürnberger Zeitung, 08.11.2005

Tollhäusler im "heiligen Rausch"
Nürnberger Nachrichten, 07.11.2005

"Das Strahlen und Funkeln in den Augen macht schön"
Nürnberger Nachrichten, 04.11.2005

Glücklich im rosa Bikini
Nürnberger Zeitung, 22.03.2005

Akte von Jedermann
Nürnberger Nachrichten, 29.03.2005

Körper- und Seelenlandschaften
Nürnberger Nachrichten, 27.01.2005

Seelenlandschaft...
Abendzeitung, 22./23.01.2005

Menschen und anderes Fleisch
Nürnberger Zeitung, 20.01.2005

Über das Verschwinden von Realität und Person
Erlanger Kultur, 04.12.2004

Beinchen und Schweinchen
Nürnberger Nachrichten, 21.10.2003

Frauenakte
Weidener Tagblatt, 08.07.2003

Bart, Bierbauch und blaue Farbe
Oberpfälzer Nachricht, 07.07.2003

Heldinnen des eigenen Geschlechts
Süddeutsche Zeitung, 05./06.07.2003
Aktmalerei als eine Annäherung an das eigene Geschlecht
Mittelbayerische Zeitung, 01.07.2003

Trabanten beim Kunstverein
Süddeutsche Zeitung, 28./29.06.2003

Künstlerische Trabanten
Ebersberger Zeitung, 27.06.2003

Exerzitien mit Körpern
Pressebericht Erlangen, 20.05.2003

Neo(n)-Realismus und anderes
Nordbayerischer Kurier, 21.01.2003

Über das Nackte zum inneren Wandel
Fränkische, 18.01.2003

Die Kunst kommt aus Großmutters Kamera
Nürnberger Zeitung, 30.10.2002

"Setz dich und sei Künstler!"
AZ, 30.10.2002

Souvenirs und schlaue "Cannymales"
Nürnberger Nachrichten, 30.10.2002

Zusätzliche Malkurse
Altdorf, 25.09.2002

Landschaft - ein Phantom
Nordbayerischer Kurier, 13.07.2002

Renate Schmidt, MdB im Atelier von Liz Bayerlein
Frau im Spiegel, 12.02.2002

Frau spielt mit Pompons
Westdeutsche, 30.04.2001

Eine Spätberufene im Reich der Kunst
Nürnberger Nachrichten, 18.10.2000

Menschen mit Farben charakterisieren
Amberg, 27.08.2000

Kunstwerke, die motivieren und inspirieren
Pressebericht Waldsassen, 11.06.1999

Kunst fürs Publikum?
Pressebericht Lauf, 17.03.1998

Stahl im Bauerngarten, Farb-Kraft vor Fachwerk
Pressebericht Galerie Schaller, 15.10.1997

 

Werkverzeichnis
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